Insert name here: Die Farbe Lila

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Logo_testKlar: Mit Filmen und Serien kennen wir uns aus. Und doch haben Kartoffeln manchmal Löcher, Sitzkartoffeln also auch: Wissenslücken. Wer kennt schon jeden Klassiker? Wir jedenfalls nicht. Wollen wir aber. Also rufen wir uns gegenseitig die Titel von Meisterwerken der Filmgeschichte zu, die das Gegenüber noch nie gesehen hat. Und nun gucken muss – und darüber schreiben (natürlich ohne Google).

Kirsten rief: Die Farbe Lila.

Markus‘ erster Gedanke: Der erste Film von Whoopi Goldberg. Und Danny Glover war noch nicht zu alt für diesen Scheiß.

Ein Sticker auf der DVD-Hülle bestätigt Kirstens Warnung: Dies ist ein Frauenfilm. Aber es hilft nichts – Blog ist Blog, die Pflicht ruft und überhaupt…

Protagonistin und Erzählerin ist Celie, eine junge Afroamerikanerin, die Anfang des vorletzten Jahrhunderts im Süden der Vereinigten Staaten aufwächst. Ihr Dasein besteht eigentlich hauptsächlich aus Schmerz: Unter anderem hat sie im Alter von 14 bereits zwei Kinder zur Welt gebracht, die aus dem Missbrauch durch ihren Vater, einen Prediger, stammen. Die Familie ist arm, Gewalt und Rassismus an der Tagesordnung, und recht schnell wird dem Zuschauer klar, dass ein Leben, vor allem das einer Frau oder eines Mädchens, in jenen Tagen und an diesem Ort nichts wert ist. Ernsthaft: Die ersten paar Minuten sind wirklich schwer zu ertragen. Mir schießen zwei Gedanken durch den Kopf: Erstens frage ich mich, weshalb eine Bevölkerungsgruppe, die soviel Leid erfahren musste, sich untereinander derart grauenerregende Dinge antut. Weshalb halten die Leute nicht mal in ihren Familien zusammen? Warum tun sich Menschen überhaupt gegenseitig so etwas an? Mein zweiter Gedanke: Wenn dies ein Frauenfilm ist, bestätigt das meine Theorie, dass Frauen verdammt nochmal das starke Geschlecht sind. Glaubt es mir einfach, Jungs: Trotz aller Muckis – Frauen sind uns intellektuell und emotional schlicht überlegen. Und das ist schon okay.

Celies Vater nimmt ihr ihre gemeinsamen Kinder kurz nach der Geburt weg und verkauft sie. Ihre Mutter stirbt. Ihre jüngere Schwester muss sich dagegen wehren, dass ihr der verwitwete Nachbar (Danny Glover) nachstellt. Und ausgerechnet diesem Kerl wird Celie schließlich als Ehefrau verkauft. Niemand hinterfragt das – es scheint durchaus üblich zu sein, dass Männer sich minderjährige Mädchen als Frau halten und dafür deren Eltern bezahlen. In ihrem neuen Zuhause wird Celies Leben nicht besser (und der Film also nicht fröhlicher): Ihre etwa gleich alten Stiefkinder schikanieren sie, ihr neuer Ehemann schlägt und vergewaltigt sie, ihr Alltag besteht nur aus harter Arbeit. Einzig der Kontakt zu ihrer Schwester ist ein Silberstreif – als die sich jedoch erfolgreich gegen einen Vergewaltigungsversuch durch Celies Mann zur Wehr setzt, jagt dieser sie aus der Stadt.

Wir werden Zeuge, wie aus Celie (nun gespielt von Whoopi Goldberg) eine junge Frau wird. Durch unerschütterlichen Überlebenswillen hat sie es geschafft, nicht völlig zu zerbrechen. Ab und an blitzt nun sogar etwas Humor auf, wenn sich ihr Gatte mal wieder als völliger Trottel im Haushalt erweist. In der Sängerin Shug – ausgerechnet der Geliebten ihres Mannes – findet Celie zudem eine Freundin und vielleicht sogar etwas mehr. Shug zieht ebenfalls in das Haus der unterdrückten Familie ein, und trotz dieser eigenartigen Konstellation sorgt die Lebensfreude der Sängerin dafür, dass der triste Tagesablauf in der staubigen Hütte ein wenig aufgelockert wird.

Was mich sehr überrascht hat: Zwar ist Celie eindeutig die Hauptfigur, aber es gibt spannende und charismatische Nebencharaktere, die fast genau so wichtig sind. Neben Shug ist das zum Beispiel Sofia, die Frau von Celies Stiefsohn, eine patente, schwergewichtige und sehr selbstbewusste Person, die einem gerade wegen ihres Querkopfs sofort sympathisch ist. Fast ebenso überrascht war ich, wer sie spielt: Einige Jährchen jünger, einige Kilos schwerer – aber das ist eindeutig Oprah Winfrey, heute längst bekannt als erfolgreichste Talkshow-Moderatorin der Welt. Und sie macht das wirklich unglaublich überzeugend.

Das gilt auch für die anderen Schauspieler. Man nimmt Danny Glover den verachtenswerten Macho ab, man ist grundsätzlich schnell heimisch unter der drückenden Sonne des amerikanischen Südens, man lebt und leidet mit diesen Menschen. Und doch – und ich kann das kaum deutlich genug betonen – das alles verblasst angesichts der schieren Urgewalt von Whoopi Goldberg. Die Frau hat bereits in ihrem ersten Film eine derartige Präsenz, dass sie einfach jede Szene beherrscht. Dabei spricht sie gar nicht so viel, sind ihre Gesten eher sparsam. Es ist mehr, was sich in ihrem Gesicht abspielt, wie sie es schafft, uns an ihren Gedanken teilhaben zu lassen. Vergesst “T. Rex”, vergesst auch “Sister Act” – das hier ist die pure Whoopi, und daran sollte man sie messen. (Übrigens bin ich fast sicher, dass sich ein Hauch ihrer Celie in einer durchaus ähnlich gelagerten Figur wiederfindet – “Die Farbe Orange”, anyone..?)

Die meisten von euch kennen den Film vermutlich, die anderen spanne ich nicht länger auf die Folter: Alles wird gut. Celie entkommt ihrer Ehe-Hölle, ihr Vater war gar nicht ihr Vater, sie darf ihre Kinder und ihre Schwester in die Arme schließen, und am Ende ist alles Jazz und Gospel und schön. Verdammt, wer schneidet denn hier Zwiebeln?!

Ich geb’s zu: Ich bin ein verdammtes Weichei, wie man schon am verweifelten Versuch erkennt, durch zu häufigen Gebrauch des Wörtchens “verdammt” davon abzulenken. Das ist ein Frauenfilm? Prima, ich mag Frauen. Und ich fühlte mich nicht nur gut unterhalten, sondern sogar emotional berührt, Kitsch hin, Pathos her. Steven Spielberg weiß einfach, wie man sowas macht. Und jetzt wird gefälligst der Aufkleber vom Cover geknibbelt, ich fühle mich schon ganz ausgegrenzt!

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