Die Wahl der Qual: Amazon Pilot Season

Die Wahl der Qual: Amazon Pilot Season

UnbenanntHaben wir eigentlich Sommer? Oder gibt es für diesen dauerhaften Wechsel aus nasskalt und brütend heiß schon eine andere Bezeichnung? Amazon Video macht es sich leicht und ruft einfach eine neue Jahreszeit aus: Es ist mal wieder “Amazon Pilot Season”.

Einmal mehr testest das Streaming-Portal neue Formate an der Zielgruppe, ehe sie möglicherweise in Serie gehen. Der Erfolg von Reihen wie “The Man In The High Castle” oder “Transparent” gibt dem Unternehmen Recht: Für beide hatten sich einst die Zuschauer der “Pilot Season” entschieden.

Diesmal setzt Amazon auf eine besonders bunte Mischung – das gilt zumindest für das Genre, leider weniger für die Qualität:

The Tick

Es ist nicht der erste Versuch, die in den Vereinigten Staaten populäre Superheldenparodie als Realserie zu verfilmen: Bereits 2001 spielte Patrick Warburton (“Rules Of Engagement”) in neun ausgestrahlten Folgen den Muskelprotz mit dem Faible für pathetische Reden. Der neue potenzielle Pilotfilm wurde von Warburton produziert, weswegen man eigentlich erwarten sollte, dass ein gewisses Grundverständnis für den Charakter vorhanden ist… Eigentlich.

Aber der Reihe nach: The Tick (Peter Serafinowicz) platzt in das ohnehin komplizierte Leben des Verlierers Arthur Everest (Griffin Newman). Bei dem läuft es nicht so ganz rund, seit er als Kind vom Superbösewicht The Terror (Jackie Earle Haley) bedroht wurde, der kurz zuvor eher versehentlich seinen Vater getötet hatte. The Tick verspricht Besserung für Arthurs tristes Dasein, sucht er doch einen Partner, der an seiner Seite das Böse bekämpft. Und das war’s eigentlich schon an Handlung. Wir werden Zeuge, wie Arthur erstmals sein Comic- und Trickfilm-Fans bekanntes Mottenkostüm anzieht, der Titelheld schubst ein paar Schurken beiseite, und mehr ist nicht. So richtig neugierig auf mehr macht das nicht, lustig ist es auch kaum, und ohnehin sind Parodien auf Superhelden ja ziemlich durch.

Fazit: Überlanger Sketch ohne Pointe, aber immerhin sauber und aufwändig produziert.

Ach ja – falls sich jemand fragt, an wen der Hauptdarsteller erinnert:

Unbenannt

 

 

 

 

 

 

I Love Dick

Kathryn Hahn spielt Chris Kraus, die Autorin des autobiografisch gefärbten Romans mit dem ach so zweideutigen Titel, der hier verfilmt wurde. Chris verliebt sich im texanischen Kaff Marfa in den unsympathischen Dick (Kevin Bacon). Deswegen wird viel, sehr viel geredet, und am Ende macht Dick sich nackig. Vermutlich ist das Kunst, ganz sicher wendet es sich an frustrierte Ehefrauen, und wenn daraus eine Serie wird, gehört der Autor dieser Zeilen definitiv zu den Menschen, die sie sich niemals anschauen werden.

Fazit: Wer auf affektierte Dialoge, eine unfokussierte Erzählweise und herbei geschwätzte Dramen steht, wird damit sicher glücklich.

Jean-Claude Van Johnson

Jean-Claude Van Damme (Jean-Claude Van Damme) hat seine besten Tage hinter sich. Die Sache mit dem Kickbox-Spagat klappt nicht mehr wie gewohnt, sein Alltag als Frührentner ist öde Routine, und dass er sich an Errungenschaften moderner Zivilisation wie Hipster-Bärte nur sehr ungern gewöhnt, wird allenfalls dadurch überboten, dass ihm seine Verflossene Vanessa (Kat Foster aus “Ehe ist…”) nicht aus dem Kopf geht. Also entschließt er sich, seinen alten Job wieder aufzunehmen. Oder besser: seine beiden alten Jobs. Denn was die Fans der einstigen Action-Ikone nicht ahnten: “The muscles from Brussels” war nicht nur ein erfolgreicher Star in Prügelfilmen wie “Time Cop” (den er für besser als “Looper” hält), sondern auch ein ebenso erfolgreicher Geheimagent. Und Vanessa war seine Partnerin. Dumm nur, dass in beiden Berufsfeldern die Zeit nicht stehen geblieben ist. Und so müht sich der alternde Haudegen mehr schlecht als recht, während der Dreharbeiten zu einer Action-Version von “Tom Sawyer und Huckleberry Finn” nicht allzu hüftsteif rüberzukommen und gleichzeitig während eines streng geheimen Geheimauftrags nicht umgebracht zu werden…

Van Damme dürfte der einzige der alten Recken sein, der mittlerweile fast komplett auf der Meta-Ebene unterwegs ist. Schon in der Dramödie “JCVD” (2008) spielte er eine semi-realistische Version seiner selbst. Und auch sein Auftritt in “The Expendables 2” (2012) war letztlich ein einziges riesiges Augenzwinkern. Ob man daraus eine ganze Serie basteln muss, bleibt indes fraglich. Der geplante Pilot funktioniert als Kurzfilm eigentlich ganz gut. Eventuell ist der Witz doch ein wenig zu flach, um ihn mehrmals zu erzählen.

Fazit: Etwas für Leute, die tatsächlich glauben, “Time Cop” sei besser als “Looper”.

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