Kluge Sprüche und harte Prügel: “Iron Fist” ist viel besser als sein Ruf
“Der Frosch im Brunnen wird nie das Meer verstehen.” Wer mit derartigen Glückskeks-Sprüchen etwas anfangen kann, dem dürfte der leicht oberflächliche Umgang mit fernöstlicher Philosophie kaum sauer aufstoßen, mit dem “Marvel’s Iron Fist” die Vorgeschichte zur lang erwarteten Netflix-Serie “The Defenders” beendet. Seien wir ehrlich: Substanzielle Dialoge sind es nicht, mit denen die 13 Folgen punkten. Das ist aber auch schon das größte Manko – es bleibt schleierhaft, weshalb die Kritiker sich bereits im Vorfeld derart auf die neue Serie eingeschossen haben, dass sie schon vor dem Start als schlechteste unter den Netflix-Marvel-Reihen galt.
Denn eine derart harsche Beurteilung hat die Eisenfaust wirklich nicht verdient: Die Mischung aus leicht seifigem Familiendrama und packender Martial-Arts-Action weiß nämlich durchaus zu unterhalten. Und allein das macht sie schon besser als den Vorgänger “Marvel’s Luke Cage”.
Worum geht’s? Milliardärssohn Danny Rand (Finn Jones) ist scheinbar von den Toten zurückgekehrt. Tatsächlich hat er den Flugzeugabsturz überlebt, der seine Eltern das Leben kostete, und die vergangenen 15 Jahre in einem abgelegenen Kloster verbracht. Nun ist er zurück in New York und bereit, das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen. Dem stehen jedoch seine einstigen Jugendfreunde Joy und Ward Meachum (Jessica Stroup, Tom Pelphrey) entgegen. Das Geschwisterpaar genießt die Macht, die seine Führungspositionen in der Firma mit sich bringen. Ward hat noch einen weiteren Grund, sich am Chefsessel festzukrallen: Im Hintergrund zieht sein Vater Harry (David Wenham) die Fäden. Und der aggressive Patriarch ist tatsächlich aus dem Jenseits heimgekehrt – dank einer geheimnisvollen Organisation namens “Die Hand”.
Gut, dass Rand junior sich auf drei knallharte Frauen verlassen kann: Kampfsporttrainerin Colleen Wing (Jessica Henwick), Anwältin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) und Krankenschwester Claire Temple (Rosario Dawson). Den beiden Letztgenannten kommt zugute, dass sie bereits über Erfahrung im Umgang mit schlagkräftigen Verbrechensbekämpfern verfügen. Denn der naiv wirkende Danny wurde von den Mönchen nicht nur in Kung Fu ausgebildet, sondern verfügt über eine ganz besondere Eigenschaft: Er kann die so genannte Macht der “Iron Fist” abrufen. Und so fliegen zwischen den Glaspalästen der High Society und den dunklen Gassen von China Town schon bald Füße, Fäuste und Wurfsterne…
Nachdem die eher betulich inszenierten Abenteuer von Luke Cage eine Hommage an das afroamerikanische Krimi-Kino der 70er waren, steht “Iron Fist” wie erwartet in der Tradition knackiger Kampfsport-Schinken der gleichen Ära. Im Unterschied dazu wird das Gerangel um das Milliardenerbe eher im Stil von “Dallas” oder “Dynasty” dargestellt. Das ist ein bewusster Gegensatz, und er funktioniert erstaunlich gut. Die Actionszenen gehen in ihrer drastischen Optik zurück zur ersten Netflix-Marvel-Serie “Daredevil”, haben aber einen ganz eigenen Stil. Danny Rand ist “die lebende Waffe”, er bewegt sich schnell und zielsicher, deutlich eleganter als der boxende Straßenkämpfer Matt Murdock.
Das alles kann sich sehen lassen, es ist zu keiner Sekunde langweilig, und insgesamt ist “Iron Fist” nicht nur deutlich besser als sein voreiliger Ruf, sondern er landet nach “Daredevil” und “Jessica Jones” und vor “Luke Cage” souverän auf dem dritten Platz der “Defenders”-Vorgeschichten. Finn Jones macht seine Sache gut, vor allem die Chemie zwischen ihm und Jessica Henwick stimmt. Man freut sich schon jetzt auf das Zusammentreffen mit seinem geplanten Duettpartner Mike Colter – Luke Cage und Iron Fist sind ja quasi die Antwort des Marvel-Universums auf Bud Spencer und Terence Hill.
Versprochen: Lasst euch von den grundlos negativen Kritiken nicht davon abhalten, der Serie eine Chance zu geben. Ihr verpasst sonst was.