“The Book of Boba Fett” ist wenig mehr als ein Groschenroman

“The Book of Boba Fett” ist wenig mehr als ein Groschenroman

Nachdem Boba Fett (Temuera Morrison) und Fennec Shand (Ming-Na Wen) gewaltsam den Palast des toten Gangsterbosses Jabba erobert haben, arbeitet der alternde Kopfgeldjäger daran, sich als Daimyō der nahe gelegenen Stadt Mos Espa zu etablieren. Dabei setzt der einst skrupellose Veteran weniger auf rohe Gewalt als mehr auf sein diplomatisches Geschick. Beide Talente werden allerdings gefordert, als das Pyke-Syndikat sich auf Tatooine breit macht. Fett muss den Drogenhandel unterbinden, eine offene Rechnung begleichen und braucht dabei die Hilfe neuer Freunde. Schon bald brodelt es in der Unterwelt des Wüstenplaneten. Und als ein Fremder auftaucht, eskaliert die Situation.

Wir Fans waren begeistert, als eine der beliebtesten Star-Wars-Figuren in der zweiten Staffel der Disney+-Serie “The Mandalorian” erschien: Boba Fett ist Kult, und die Entscheidung, Morrison die Rolle übernehmen zu lassen, war so folgerichtig wie pfiffig. Immerhin hat der Neuseeländer bereits Bobas “Vater” Jango in der Prequel-Trilogie verkörpert. Auch sonst konnte sich der Gastauftritt des Bounty Hunters sehen lassen – zumal er als der knallharte Antiheld dargestellt wurde, den wir alle so lieben.

Mit Spannung wurde also seine eigene Serie “The Book of Boba Fett” erwartet. Zu erleben, wie der gnadenlose und geheimnisvolle Söldner in der Unterwelt aufräumt, um in die Fußstapfen seines früheren Auftraggebers zu treten, klang nach großem Spaß. Und nach einer erfrischenden Ergänzung zur pathetischen Westerngeschichte um Mando – quasi “The Sopranos” statt “Für eine Handvoll Dollar”. Das konnte ja nur großartig werden, wenngleich Tatooine als Handlungsort inzwischen ein bisschen überstrapaziert wurde.

Um es vorwegzunehmen: Leider lagen wir mit dieser Einschätzung daneben. “Das Buch von Boba Fett” erzählt in sieben Episoden eine vergleichsweise träge Geschichte und setzt dabei auf exakt die gleichen Wild-West-Klischees wie die so erfolgreiche wie beliebte Vorgängerserie. Schlimmer noch: Die Produzenten um den eigentlich untadeligen Jon Favreau haben dem Kopfgeldjäger die Reißzähne gezogen. Boba läuft gerne ohne seinen ikonischen Helm herum, trifft mehr als eine hummeldumme Entscheidung und hat so gar nichts vom bedrohlichen Revolverhelden, als den wir ihn in “Das Imperium schlägt zurück” vor 40 Jahren kennen gelernt haben. Statt auf Härte setzt er auf Verhandlungsgeschick. Statt es mit jedem Gegner aufnehmen zu können, scheint er deutlich in die Jahre gekommen zu sein. Und das Verbrecherimperium, das er eigenen Angaben zufolge aufbauen will, besteht aus einem halben Dutzend Verbündeter, die in einem weitgehend leeren Gemäuer hausen.

So richtig klar wird dabei nicht, wieso Jangos erster Klon sich derart gewandelt hat. Zwischen dem kaltblütigen Mord an Jabbas Adjutant Bib Fortuna (Matthew Wood) und dem ersten Kapitel seines Buchs liegen allenfalls ein paar Stunden. Schon klar: In zahlreichen Rückblenden sehen wir, wie Fett aus der Sarlacc-Grube entkommen konnte, wie er à la “Der mit dem Wolf tanzt” von einem Stamm Sandleute aufgenommen und vom Gefangenem zu einem der ihren wird, wie er vom zielgerichteten Bluthund zum altersmilden Abenteurer mutiert. Allerdings ist das nicht besonders glaubhaft, da sein Auftritt in “The Mandalorian” chronologisch natürlich danach spielt und ihn in gewohnter Form zeigt.

Hinzu kommt die diskutable Entscheidung, diese Vorgeschichte in Rückblenden zu erzählen. Während Boba Fett ein heilendes Bad nach dem anderen nimmt, erinnert er sich nicht nur an seine Kindheit und daran, von Jango verlassen worden zu sein (übrigens ein Handlungsstrang, der nicht wieder aufgegriffen wird), sondern auch an seine Erlebnisse mit den Tusken und daran, wie er Fennec rettet. Zugespitzt ausgedrückt: Weite Teile der Serie zeigen den Protagonisten beim Baden.

Das eigentliche Problem mit “The Book of Boba Fett” ist jedoch, dass offenbar niemand mal vor Beginn der Dreharbeiten über das Drehbuch geschaut hat. Da reiht sich nämlich Logikloch an Logikloch – in jeder Episode fragt man sich, wieso die Charaktere tun, was sie tun, und wie das überhaupt möglich ist. Um nur eines von ungezählten Beispielen zu nennen: Nachdem Krrsantan (Kerry Jones) unseren Möchtegern-Paten beim Baden (natürlich) gestört hat, nimmt er ihn im Zweikampf buchstäblich in die Mangel. Boba müsste ein zerquetschtes Rückgrat, eine schwere Bissverletzung an der Hand und weitere blutige Wunden davongetragen haben. Davon ist allerdings nichts zu sehen, als er kurz darauf im Bademantel auftaucht. Da gerät die unbeantwortete Frage, wie der schwarze Wookiee unbemerkt in den Palast eindringen konnte, fast in Vergessenheit. Vielleicht hatte Frau Shand gerade Zigarettenpause. Apropos: Schade, dass Ming-Na Wen anders als in “Agents of S.H.I.E.L.D.” nicht so recht zeigen darf, was sie drauf hat. Meisterattentäterin Fennec wird zu oft auf ihre Rolle als Stichwortgeberin reduziert, darf allenfalls mal düster dreinblicken und die fragwürdigen Befehle ihres neuen Partners abnicken.

Ist Bobas Buch also ein komplettes Fiasko? Glücklicherweise nicht. Die meisten Folgen sind durchaus unterhaltsam, einige Szenen sogar großartig. Die beiden Hauptdarsteller zeigen, dass es kein Problem ist, glaubhaft actionbetonte Charaktere jenseits der 50 zu zeigen (und heben sich nebenbei und ohne dass es ständig erwähnt wird, erfreulich vom Klischee des weißen, männlichen Hollywood-Helden ab). Die Besetzung ist bis in die Nebenrollen stimmig, das Setting ist Star Wars pur (abgesehen von Alita und den Moped-Rangers, also den zurecht gescholtenen “Mods”), es gibt die üblichen lustigen Randfiguren und auch die eine oder andere sehenswerte Überraschung.

Machen wir uns jedoch nichts vor: Es ist Din Djarin (Pedro Pascal), der mit seinem Gegenbesuch die Kohlen aus dem Feuer holt. Denn eigentlich ist das hier die dritte Staffel von “The Mandalorian”. (Boba Fett spielt in einem Kapitel überhaupt nicht und in einem weiteren nur wenige Sekunden lang mit.) Inhaltlich wie dramaturgisch halten der teils grandiose Fan-Service seiner Episoden und das Charisma dieser Figur die Geschichte um Boba knapp über Durchschnitt.

Fazit: Insgesamt ist “The Book of Boba Fett” eine bedauerlich mediokere Serie, aus der man sehr viel mehr hätte machen können – sogar müssen. Selten hat man als ambitionierter Anhänger derart das Bedürfnis verspürt, die Drehbücher zu überarbeiten, wie beim Buch des alten Boba. So viele ungenutzte Möglichkeiten, so viele verschenkte Szenen, so viele unnötige inszenatorische Probleme. Der einst größte Kopfgeldjäger der Galaxis hätte mehr verdient als solide Unterhaltung voller Plotholes. Vielleicht wird eine mögliche zweite Staffel besser. (Dann gerne mit Bossk, Dengar und den anderen Kampfgefährten von einst.) Aber jetzt übernimmt erstmal wieder sein legitimer Nachfolger. Und natürlich gucken wir das alles. Es ist Star Wars.

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