Ein Blick auf “The Affair”

Ein Blick auf “The Affair”

Nachdem ich mich endlich dazu entschlossen hatte, mir Amazon Prime zuzulegen, dauerte es dann immerhin noch sensationelle sechs Wochen, ehe ich endlich Zeit genug hatte, mich dem Angebot zu widmen.

Auf der Liste hatte ich schon seit vergangenem Herbst “The Affair”. Ich hatte einen fesselnden Trailer dazu gesehen. Außerdem hatte ich kurz zuvor “Fringe” gebinged und war neugierig, wie sich Joshua Jackson in der Rolle eines betrogenen Ehemanns machen würde.

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Dominic West und Ruth Wilson in “The Affair”.

Kurz zum Inhalt: Noah Solloway, glücklich verheiratet, vier Kinder, reist wie jedes Jahr im Sommer mit seiner Familie nach Montauk, um dort die Ferien bei seinen Schwiegereltern zu verbringen. Sein Schwiegervater ist ein berühmter Schriftsteller, während er selbst zehn Jahre versucht hat, ein Buch fertigzustellen. Sein erstes Buch ist nun auf dem Markt, aber nicht sonderlich erfolgreich. Noch bevor die Familie auf dem Gut des Schwiegervaters ankommt, macht sie einen Mittagessen-Halt im “Lobster Roll”, wo Noah die Kellnerin Alison Bailey kennenlernt. Eine folgenreiche Begegnung, die das Leben aller Beteiligten erschüttert und grundlegend ändert.

Warum schreibe ich über diese Serie?

“The Affair” unterscheidet sich in einigen Punkten erheblich von vielen anderen Serien, die so auf dem Markt sind.

1.) Man weiß bereits nach der ersten Folge, ob man die Serie weitergucken sollte oder nicht. Das ist beispielsweise bei “Orange Is The New Black” oder “The Walking Dead” überhaupt kein Kriterium, bei diesen beiden Serien kann man mit Sicherheit sagen, dass die Piloten die jeweils schlechteste Folge waren. Das ist hier anders. “The Affair” startet stark, die Erzählweise ändert sich in den kommenden Folgen und Staffeln nicht mehr, die emotionale Achterbahnfahrt endet niemals mehr und die Ehrlichkeit in den Dialogen wird eher noch deutlicher.

2.) Erzählweise: Die Serie wird von verschiedenen Standpunkten erzählt. So ist beispielsweise die eine Hälfte der Episode aus Noahs Sicht erzählt, während danach die gleiche Begebenheit aus Alisons Sicht erzählt wird – was tatsächlich keine Wiederholung ist, sondern wieder einmal beweist, dass Erinnerungen verwaschen, dass sie sich bei jedem anders festsetzen. In einer Sex-Szene sagt Alison in Noahs Erinnerung immer wieder “I am yours”, was ihn noch erregter werden lässt. In Alisons Erinnerung sagt sie jedoch pausenlos “I love you”. Und das ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie hier die Geschichte trotz der sich wiederholenden Erzählung vorangetragen wird.

Wieso wird überhaupt in Erinnerungen berichtet? Alison und Noah erzählen zu Beginn der ersten Staffel einem Polizisten in einer Art Verhör *ihre* Geschichte. Das Kennenlernen, das Verlieben, die Ereignisse. Sie tun das getrennt voneinander und so entstehen unterschiedliche Geschichten aus derselben Begebenheit. Das ist fesselnd, das ist spannend, das ist hochemotional.

Wieso werden die beiden von einem Polizisten befragt? Das ist der besondere Plot, der hinter der Liebesgeschichte liegt. Ein Mann ist gestorben. Das erfährt man relativ zu Beginn. Wer es ist, bleibt erst einmal unklar. Aber auch diese Frage wird schneller beantwortet, als man zunächst denkt. Der Polizist vermutet, dass der Mann, der offenbar überfahren wurde, eben nicht bei einem Unfall gestorben ist, sondern ermordet wurde.

Ab der zweiten Staffel wird dann nicht ausschließlich aus Noahs und Alisons Sicht erzählt, sondern auch aus der Sicht der betrogenen Ehepartner Helen und Cole. Ja, die Erzählweise hat durchaus ihre Längen. Aber wer sich emotional auf die Charaktere einlässt, der kann diese durchaus zähen Momente ganz gut ignorieren – zumindest bis zum Ende der zweiten Staffel, aber dazu später mehr.

3.) Dialoge: Ich habe noch NIE – und ich meine wirklich NOCH NIE – eine Serie erlebt, in der die Dialoge so nah an der Erwartung des Zuschauers sind. Hier wird nicht künstlich Spannung erzeugt, hier wird das gesprochen, was der Zuschauer denkt. Das ist unfassbar erschreckend, zumindest am Anfang. Beispiel: Noah erzählt seinem Kumpel Max, dass er seine Frau betrogen hat, dass er eine Affäre hatte. Was rät der Kumpel NATÜRLICH? “Sag Helen auf keinen Fall was. Wenn das nur eine Affäre war, dann ist es besser, sie weiß nichts darüber. Das würde sie nur unnötig aufregen.”

In jeder anderen Serie würde Noah auf den Kumpel hören, sich irgendwann in ein Lügengerüst verstricken und am Ende doch erwischt werden. Und dann wäre alles noch viel schlimmer, als wenn er es gleich gestanden hätte.

Was tut Noah in “The Affair”? Er lässt Max’ Worte sacken, erleidet beim Joggen eine Panikattacke und gesteht seiner Frau dann den Seitensprung. Und das ist nur EIN Beispiel von Dutzenden. Keine künstlichen Konflikte, keine Dialoge, die es so niemals geben würde. Das ist so faszinierend wie schrecklich zugleich. Und nach jeder Folge nimmt man sich vor, künftig selbst offener mit seinen Wahrheiten und Gedanken umzugehen.

Was mich an der Serie stört

Anderthalb Staffeln lang schafft es “The Affair”, keine Seifenoper zu werden. Es ist einfach eine spannend erzählte Familien- und Liebesgeschichte. Dann irgendwann kam für mich der Wendepunkt. Vier Folgen vor dem Ende der zweiten Staffel ödet mich die Geschichte allmählich an. Das liegt daran, dass die Story plötzlich völlig vorhersehbar geworden ist. Leider. Vier Folgen vor dem Staffelende habe ich plötzlich keine Lust mehr, weiterzuschauen, weil ich genau weiß, was passieren wird. Plötzlich sind wir doch mitten in einer Seifenoper.

Aber: Die ersten 1,5 Staffeln waren so gut, dass ich auf Staffel drei, die im November erscheint, dennoch gespannt bin.

Einschalten?

Definitiv, wenn man Drama, Liebe, viel Sex und Verwirrung aushalten kann. Allein wegen der Erzählweise und der herausragenden Dialoge.

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