„Superman“ ist der richtige Film zur rechten Zeit
Superman ist der bekannteste Superheld der Welt. Jeder kennt das Symbol auf seiner Brust, das rot-blaue Kostüm, das flatternde Cape, auch die Strongman-Hose. Er war die erste Comicfigur mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, der Urvater all dessen, was sich inzwischen im Genre auf Heftseiten und Leinwand tummelt. Krypton, Smallville, Metropolis, das Ehepaar Kent, die Liebe zu Lois, sein Alter Ego Clark, sein Erzfeind Lex Luthor, sogar sein Hund Krypto. Ist es ein Vogel, ist es ein Flugzeug? Ihr kennt die Geschichte.
Als publik wurde, dass James Gunn die Aufgabe übernommen hat, das strauchelnde DC-Universum zu retten, war die Erwartungshaltung sehr hoch. Der Mann hat mit den „Guardians of the Galaxy“ bewiesen, dass er den Mumm hat, Hollywood-Blockbuster so weit wie möglich an ihre Grenzen zu bringen. Der mag schräge Charaktere und hat gleich ein Dutzend von ihnen im Griff. Der kann Action und Emotionen in schneller Folge. Der hat uns um einen Waschbären weinen lassen.
Klar war, dass er vieles, vielleicht alles anders machen würde als Zack Snyder. Sein Superman, der den Start des nun DCU betitelten neuen Kino-Franchises darstellt, würde bunter sein, nicht gebrochen, eher an klassischen Comics wie John Byrnes „Man of Steel“ orientiert. Das alles gewürzt mit Gunns Sinn für Humor und Anarchie? Das konnte nur gut werden!
Aber wie ist der simpel betitelte „Superman“ denn nun wirklich? Ist das die Wachablösung, nachdem der ewige Konkurrent Marvel in die Knie gegangen ist? Um es vorweg zu nehmen: Das hier ist nichts weniger als der beste Superman-Film, den es bisher zu sehen gab. Weil er sicher nicht alles richtig macht, aber sehr viel. Weil er hervorragend unterhält. Weil er zeitgemäß ist.
Aber der Reihe nach: Aus oben genannten Gründen macht James Gunn dasselbe, was das MCU sich zuletzt mit Spider-Man getraut hat: Die Vorgeschichte ist ein moderner Mythos, also hält er sich gar nicht erst damit auf, sie zum hundertsten Mal zu erzählen. Wir werden hineingeworfen in den härtesten Kampf, dem sich unser Held (David Corenswet) bislang stellen musste. Nach und nach erfahren wir, wie es dazu gekommen ist, dass ein praktisch unverwundbarer Superheld blutend am Boden liegt.
Wenige Wochen zuvor hat er sich eingemischt in den Konflikt zweier (vermutlich osteuropäischer) Länder und eine Invasion verhindert, um Menschenleben zu retten. Das sorgt für Diskussionen mit Freundin und Kollegin Lois Lane (Rachel Brosnahan), aber schrammt auch sein Image als untadeliger Champion an. Darf das Idol der Massen in politische Auseinandersetzungen eingreifen? Diese Situation wird ausgenutzt vom ebenso brillanten wie skrupellosen Milliardär Lex Luthor (Nicholas Hoult), dem der gefeierte Mann aus Stahl schon lange ein Dorn im Auge ist.
Superman muss also gleich an mehreren Fronten kämpfen. Nicht immer mit Fäusten und Hitzeblick, auch mit Worten und Gefühlen. Er muss es schaffen, dass die Menschen wieder daran glauben, dass es Hoffnung gibt. Dass doch noch alles gut wird und es sich lohnt, immer weiterzumachen. Und so wird aus seinem bislang größten Duell seine bisher größte Herausforderung.
Es war viel darüber zu hören und zu lesen in den vergangenen Tagen, wie Gunn angeblich versagt habe. Wie das DCU bereits mit dem ersten Film zum Scheitern verurteilt sei und dieser allenfalls ein mediokeres Machwerk, ein Flickentepich ohne Substanz. Und in der Tat: Der Regisseur und Drehbuchautor will vieles auf einmal, das Abenteuer und das Drama, das Bekannte und das Neue, das Meisterwerk und die Wundertüte. Ambitioniert, ohne Zweifel, aber auch respektabel, zumal sich James Gunn mehr als achtbar schlägt. Denn was auch immer ihr über diesen Film gehört habt: Er funktioniert. Schaut ihn euch an. Glaubt daran, dass ein Mann fliegen kann. Und freut euch auf das, was noch kommt.
Denn – und das ist das Großartige an „Superman“ – niemals zuvor war eine Story um den Stählernen derart in der aktuellen Zeit verankert. Metropolis ist nicht das New York der 30er Jahre. Der Protagonist kein Kämpfer für den amerikanischen Traum. Sein Gegner mehr als ein brüllender Irrer. Dieser Film spielt heute, mit allem, was unsere Gegenwart an Düsternis zu bieten hat, und schickt uns einen Hoffnungsschimmer. Also genau das, wofür DC immer gestanden hat: große Geschichten in bunten Bildern, aber diesmal ganz klar verbunden mit aktuellen Ereignissen.
Denn was Superman zum Alien macht, ist nicht seine Herkunft. Es ist der unerschütterliche Glaube daran, dass noch längst nicht alles verloren ist. Das unterscheidet ihn vom sinistren Zyniker Luthor, der ihn als Fremdkörper wahrnimmt und deswegen auslöschen will.
Um zu verstehen, weshalb dieser Film gerade deshalb so gut funktioniert, genügt ein einfacher Blick auf seine Themen. Die Bösewichte sind ein degenerierter Demagoge mit wirrem Haar und ein menschenfeindlicher Unternehmer. Der Held ist ein vermeintlich Fremder, der in seinem neuen Zuhause eine Heimat gefunden hat. Die Redaktion des „Daily Planet“ steht für die Wahrheit, die Luthor auslöschen will und die er mit Falschmeldungen bekämpft. Und wem kommt die Nachricht vom Krieg zweier benachbarter Länder bekannt vor?
James Gunns „Superman“ ist der richtige Film zur rechten Zeit. Manchmal möchte man nur nach oben schauen und wieder hoffen dürfen, dass dies nicht das Ende ist. Und das sollte man sich auch für das DCU wünschen, denn es bleibt spannend, was dort noch auf uns wartet.