Insert name here: Radio Rock Revolution

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Logo_testKlar: Mit Filmen und Serien kennen wir uns aus. Und doch haben Kartoffeln manchmal Löcher, Sitzkartoffeln also auch: Wissenslücken. Wer kennt schon jeden Klassiker? Wir jedenfalls nicht. Wollen wir aber. Also rufen wir uns gegenseitig die Titel von Meisterwerken der Filmgeschichte zu, die das Gegenüber noch nie gesehen hat. Und nun gucken muss – und darüber schreiben (natürlich ohne Google).

Markus rief: Radio Rock Revolution

Kirstens erster Gedanke: Radio Rock? Rock Radio? Revolution Rock?

Noch nie hat ein Film länger gedauert. Radio Rock Revolution sprengt alle Grenzen und stellt neue Rekorde auf. Die Filmdauer liegt irgendwo bei 2:15 Stunden, doch ich brauche mehr als drei Stunden, ehe ich diese schwer verdauliche Kost im Magen habe. Stinklangweilig, denke ich schon nach etwa zehn Minuten. Was wollen sie mir sagen? Wo wollen sie hin? Was ist der Sinn? Sich und das Leben feiernde Kerle, die gerne Alkohol trinken, vögeln und Rockmusik hören, schippern irgendwo auf der Nordsee vor Großbritannien rum und haben einen Piratensender. Es ist 1966. Wilde, junge Mädchen in bunten Kleidern sitzen daheim mit roten Wangen und Ohren an den Geräten und schwärmen für die heißen Kerle, die sie noch nie gesehen haben. Dann der Plot: Die Regierung mag keine Rockmusik und will den Piratensender loswerden. Vielleicht ist das auch gar nicht der Plot. Wer weiß. Vielleicht geht es nur darum, 130 Minuten lang bekannte Pop- und Rockmusik aus den Sechzigern zu spielen.

Mein Minutenprotokoll des Grauens.

Minute 10: Ich habe bereits vergessen, was in den ersten neun Minuten passiert ist. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, was der kleine Junge ganz am Anfang, der dann das Radio unters Kissen legt, mit dem Plot zu tun hat. Gar nichts, wie mir aufgeht, aber das ist mir am Anfang nicht klar. Und der Junge verfolgt mich irgendwie. Während ich über das Kind nachgrüble, verpasse ich irgendwas von dem, was gerade abgeht. Ich kriege noch so eben mit, dass ein Halbwüchsiger auf einem Schiff ankommt und seinen Patenonkel begrüßt. Ich begreife, dass die Herren dort leben und Radio machen.

Minute 24: Ein nackter, dicker Mann erklärt dem Halbwüchsigen das Vögeln. Dabei hält er sich schützend die Hand vor den Schniedel. Ich möchte das nicht. Das ist nicht schön. Es ist vielleicht das normale Leben, aber ich möchte nicht, dass nackte, dicke Männer jungen Kerlen erklären, wie das Vögeln geht. Verstörend. Ich hoffe, es ist wichtig für den Plot. Wie sich später rausstellt, ist es zumindest nicht unwichtig. Haben sich die Qualen also gelohnt.

Minute 26: Mein Hund steht im Flur und will Gassi gehen. Ich überlege kurz, ob ich den Film anhalten soll, habe aber nicht das Gefühl, dass ich was verpassen könnte. Außerdem weiß ich, dass ich in spätestens sechs Minuten wieder da bin, denn dieser Blick sieht nach dringendem Geschäft aus. Als 14 Jahre alte Hündin kann es halt schon mal drücken. Ich lasse den Film laufen und gehe Gassi.

Minute 33: Genau, ich bin keine Minute wieder im Wohnzimmer, habe aber bereits das Handy in der Hand und surfe auf Twitter rum. Inzwischen sitze ich auch auf dem Heimtrainer, weil ich denke, dass es nicht schaden kann, sich ein bisschen zu bewegen, wenn man schon mit einem derart langweiligen Film seine Lebenszeit vergeudet. Jedenfalls finde ich auf Twitter ein Video von Jürgen Klopp. Der muss sich am Montagabend bei einer Fußballsendung in Großbritannien derart gut verkauft haben, dass alle ihn lieben. Ich klicke auf den Link und stoppe damit unfreiwillig den Film, denn ich streame Amazon Prime über mein Apple-Handy auf den Fernseher. Der neue Klick überschreibt diesen Befehl aber und spielt stattdessen Klopp ab. Ich schaue also mal eben 15 Minuten eine englische Fußballsendung weiter. Ganz interessant, was der Mann da so über Fußball-Taktik erzählt. Gutes Englisch spricht er auch.

Minute 36: Nach 15 Minuten Klopp-Interview mache ich den Film wieder an. Ich schaue drei Minuten, als These Arms Of Mine angespielt wird. Genau, angespielt. Wie jedes andere verdammt gute Lied in diesem Film. Können die nicht wenigstens mal EINEN Song ausspielen? Ich bin genervt. Fühle mich wie in einer Radiosendung der späten 80er-Jahre, wo sich die Moderatoren immer besonders geil fühlten, wenn sie in den Song reinquatschen konnten.

Minute 39: Mein Festnetztelefon klingelt. Ich lasse den Film weiterlaufen. Viel passiert ist inzwischen ohnehin nicht. Weiber kamen und gingen, es wurde gevögelt, gesoffen und gefeiert und sich geil gefunden. Alles wie am Anfang.

Minute 50: Ich bin inzwischen komplett raus aus der “Handlung” und nehme mir entschieden vor, jetzt wieder aufzupassen. Dass die Musik genial ist, reißt die stinkende Langeweile aber zu keinem Zeitpunkt raus. Es fällt mir echt schwer, dranzubleiben, und ich spiele erstmals mit dem Gedanken, einen Film abzubrechen. Da Markus aber auch “Die fabelhafte Welt der Amélie”  zu Ende geguckt hat, muss ich jetzt wohl da durch.

Minute 67: Zwei Kerle hängen an einem Mast. Dass Philip Seymour Hoffman mitspielt, ist übrigens ein Riesenpluspunkt für diesen Streifen. Er hängt jedenfalls am Mast, gemeinsam mit einem Typen, der wiederum mit der Frau eines anderen geschlafen hat. Es geht offenbar um Mut, Feigheit und Angsthasentum. Ich habe kurz etwas Höhenangst, es sieht unfassbar hoch aus, wie sie da so hängen. Ist der blonde Typ Rhys Ifans? Ernsthaft? Wie auch immer. Eine Stunde und sieben Minuten sind vergangen und ich muss sagen: Das ist die bisher beste Szene des Films! Genial.

Minute 86: Nee, wer hätte es gedacht, der Halbwüchsige entdeckt unter den Radiomoderatoren seinen Vater, den er bis dato nicht kannte. Welch ein Zufall! Herrschaftszeiten. Hagel und Granaten! Spannung, Tränen, Emotionen.

Minute 91: Noch 43 Minuten und jetzt schon die Wendung zum dramatischen Ende? Ich bin inzwischen vom Heimtrainer runter und warte auf irgendwas Tolles. Aber nichts passiert.

Minute 100: Ich sitze nun neun Minuten geschwitzt auf dem Sofa und mir wird langsam kalt. Ich stoppe den Film diesmal und gehe erst einmal heiß duschen. Derzeit passiert ohnehin nichts, von dem ich denke, dass es entscheidend für die “Handlung” ist.

Minute 108: Nach einer Stunde und 48 Minuten habe ich den Blick zum zweiten Mal gebannt auf dem Schirm. Der Kahn sinkt? Krass. Und das zu Whiter Shade of Pale. Gigantisch.

Minute 120: Wie lange will dieser Kutter denn noch untergehen? Das nimmt ja schon Titanic-Ausmaße an. Es wirkt aber so, als ginge es hier gut aus.

Ende: Geschafft. Endlich. Eine Qual sondergleichen. Das Ende war allerdings gut, allein deshalb bin ich doch froh, drangeblieben zu sein. Ich kategorisiere wirklich ungern, aber hier denke ich: Ein Männerfilm. Eventuell auch einfach ein Männertraum. So würden sie gerne leben. Rockmusik, Weiber, wann und wenn man sie will, Alkohol und ein Boot. Der feuchte Traum aller vermeintlich Junggebliebenen.

Würde ich auf so einem Schiff landen, ich würde mir die nächste Schwimmweste suchen und mein Heil in der Nordsee suchen. Kann nicht viel schlimmer sein.

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