Insert name here: Notting Hill

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Logo_testKlar: Mit Filmen und Serien kennen wir uns aus. Und doch haben Kartoffeln manchmal Löcher, Sitzkartoffeln also auch: Wissenslücken. Wer kennt schon jeden Klassiker? Wir jedenfalls nicht. Wollen wir aber. Also rufen wir uns gegenseitig die Titel von Meisterwerken der Filmgeschichte zu, die das Gegenüber noch nie gesehen hat. Und nun gucken muss – und darüber schreiben (natürlich ohne Google).

Kirsten rief: Notting Hill.

Markus’ erster Gedanke: Hugh Grant, die alte Klimperfresse? (Würde Bastian Pastewka jetzt fragen.)

Das ist doch..? Klar, da singt Elvis Costello. Aber was zur Hölle singt er da? Das klingt derart zuckrig und pathetisch, dass es unmöglich eine Eigenkomposition sein kann. Vermutlich ein ironisch gemeintes Cover. Oder schlimmer noch: ein bewusst unironisches Cover. Auf jeden Fall hören wir die Stimme eines meiner alten Helden, während uns Hugh Grant aus dem Off erzählt, wo wir sind. Nämlich in Notting Hill.

Dort leben, so erfahren wir, lauter einst erfolgreiche Menschen, die lieber glückliche Menschen sein wollten. Deswegen machten sie sich in anderen Berufen selbstständig. Parallel dazu muss es in Notting Hill irgendeine Einrichtung geben, die diesen Leuten den Lebensunterhalt finanziert, denn obwohl permanent erwähnt wird, wie schlecht beispielsweise die Reisebuchhandlung des Protagonisten läuft, sind alle immer schick angezogen und leben in nett renovierten Altbauwohnungen. Man ahnt also bereits jetzt: Dies ist ein Märchen.

Selbiges lebt auch die zweite Hauptfigur, gespielt von Julia Roberts. Diese steht vor der Herausforderung, einen Hollywood-Star verkörpern zu müssen, und macht das erstaunlich charmant. Eines Tages betritt sie – leidlich getarnt mit Hut und Sonnenbrille – den Buchladen unseres Helden und kommt mit diesem ins Gespräch. Das findet vor allem er ganz gut, ist er doch ein großer Fan der Schönen. Sie findet offenbar ebenfalls Gefallen am schusseligen Briten, und zum Abschied küsst sie ihn. Soweit, so erwartbar. Was mich jedoch massiv stört: Natürlich ist Hugh Grant kein ungeschickter Typ, der stets das Falsche sagt, sondern er ist ein gut aussehender ungeschickter Typ, der auf sympathische Art stets das Falsche sagt. Das hier ist ein Märchen, schon vergessen?

Wann immer Grant dämlich guckt (und seine Rolle erfordert, dass er das alle paar Minuten tut), verspüre ich den Drang, ihm einen schweren Gegenstand über die sorgfältig zerwühlte Frisur zu ziehen. Beispielsweise einen Stuhl oder auch gern etwas Schwereres. Der weitere Verlauf der Geschichte ist rasch erzählt: Die beiden treffen sich wieder, sie lernt seine – problembeladene, aber selbstverständlich extrem einnehmende – Familie kennen, er kurz darauf ihren Freund (Alec Baldwin)… Ihren Freund? Ganz genau. Den hat sie im Eifer des verbalen Gefechts vermutlich völlig vergessen, auf jeden Fall aber nicht erwähnt. Diese Stars! Da guckt der Hugh nicht mehr dumm aus der Wäsche, sondern ganz traurig.

Natürlich können die zwei Verliebten nicht voneinander lassen, sie trennt sich, er tut alles, um sie doch noch zu überreden, die Seine zu werden. Für erstaunlich unterhaltsame Momente sorgen dabei seine erwähnte Familie (die es – versprochen – so nett wirklich nur im Märchen gibt) und sein walisischer Mitbewohner (Rhys Ifans). Der ist übrigens der Einzige in diesem Film, der nicht schick gekleidet ist, denn die lustige Nebenfigur trägt selbstverständlich lustige T-Shirts.

Wer zwischen den Zeilen liest, hat es längst bemerkt: Ich mache mich durchaus lustig darüber, dass dieser Film voller Klischees ist und konsequent auf einen Subtext verzichtet. Was mich allerdings überrascht: Gerade deshalb, gerade wegen der unaufgeregten und kein bisschen zynischen Erzählweise funktioniert “Notting Hill” ganz hervorragend. Wie immer im Märchen geht natürlich alles gut aus, und ich ertappe mich dabei, wie ich mich darüber wirklich freue.

Ich bin ziemlich sicher, dass es Ende der 90er bereits Filme gab, die mit den hier benutzten Allgemeinplätzen gebrochen haben, die eine Metaebene unter eine derart romantische Handlung schoben, deren glücklicher Ausgang durch irgendetwas relativiert wurde… Aber muss das denn immer sein? Kann man sich nicht einfach mal von einer sicher schlichten, aber dicht erzählten Geschichte unterhalten lassen? Natürlich kann man, sollte man vielleicht sogar öfter mal. Außerdem: Die Dialoge sind lustig, die Darsteller souverän, die Musik passt immer – handwerklich läuft hier alles richtig. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sitzen sie noch heute auf ihrer Holzbank und lesen.

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