Das ist das Ende: “Suicide Squad” klopft auf den Sargnagel

Das ist das Ende: “Suicide Squad” klopft auf den Sargnagel

Manchmal sollte man auf seine innere Stimme hören. Eigentlich sogar meistens. Meine zum Beispiel hat mich im vergangenen Sommer davor gewarnt, mir “Suicide Squad” im Kino anzugucken. Und dafür hatte sie einen ganz einfachen Grund. Sie konnte sich daran erinnern, dass wir uns gemeinsam den Vorgänger “Batman v Superman: Dawn Of Justice” (BvS) angesehen hatten. Und das war immerhin der schlechteste Film, den meine innere Stimme und ich jemals ertragen mussten. (Mehr dazu gibt’s hier – aber es wird später auch noch ausführlicher erläutert.)

Zudem hörte man schlechte Nachrichten von den Dreharbeiten und vor allem vom Nachschnitt, und selbst die viel gelobten Trailer überzeugten mich nicht. Also sparte ich mir Geld und Ärger und nahm mir vor, den Streifen so lange wie möglich schlicht zu ignorieren.

Nun machte mir Amazon Video vor einigen Tagen ein Angebot, das ich kaum abschlagen konnte. Für nicht mal fünf Euro durfte ich mir das Selbstmordkommando 48 Stunden lang so oft anschauen, wie ich wollte. Um es vorwegzunehmen: Ich kam auf exakt ein einziges Mal. Meine innere Stimme hatte nämlich erwartungsgemäß Recht. Aber der Reihe nach…

Nach einem Dreivierteljahr kann man voraussetzen, dass jeder, der “Suicide Squad” sehen wollte, dies auch getan hat. Daher enthält die folgende Rezension ausnahmsweise massive Spoiler.

Die Handlung: Nachdem Superman in “Man Of Steel” und BvS relativ achtlos heftigste Kollateralschäden verursacht hat und ein fliegender Muskelprotz aus dem All vor allem der US-Regierung ohnehin suspekt ist, gründet die sinistre Geheimdienstchefin Amanda Waller (Viola Davis) die so genannte Task Force X, die aus Verbrechern mit gleichfalls ungewöhnlichen, teils übernatürlichen Fähigkeiten besteht. Unter anderem gehören der Truppe an: der Auftragskiller Deadshot (Will Smith), der niemals ein Ziel verfehlt, der australische Bankräuber “Digger” Harkness (Jai Courtney) alias Captain Boomerang, der kannibalistische, verunstaltete Waylon “Killer Croc” Jones (Adewale Akinnuoye-Agbaje) und das Gang-Mitglied Chato Santana (Jay Hernandez), den man wegen seiner Fähigkeit, Feuer zu erzeugen, auf den Straßen als “El Diablo” kennt.

Bei all den teils durchgeknallten, teils durchtriebenen Schurken wird rasch klar, weshalb sie für Spezialaufträge zwangsrekrutiert werden. Mit einer Ausnahme: Dr. Harleen F. Quinzel (Margot Robbie), die sich selbst Harley Quinn nennt. Sie war einst als Psychiaterin dafür verantwortlich, den Superverbrecher Joker (Jared Leto) auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Das ging jedoch gründlich in die Hose, weil sich die Therapeutin in ihren unsympathisch-charismatischen Patienten verliebte und ihm zur Flucht verhalf. Nachdem dieser sie brutal gefoltert hatte, verlor auch sie den Verstand und… das war’s. Ihre Superkraft ist, eine psychopathische Mörderin zu sein. Aus diesem Grund wird die zierliche Blondine auch in einem Käfig gehalten, der besonderen Sicherheitsvorkehrungen unterliegt. Ähnlich wie einst Hannibal Lecter – und bei dem hatte ich damit seinerzeit ebenfalls Verständnisschwierigkeiten. Was macht einen alternden Analytiker oder eine 1,68 Meter große Frau zu einer derart unberechenbaren Gefahr, dass man sie in Ketten legen muss? Beziehungsweise – um zum Film zurückzukommen – dass sie geeignet ist, besonders gefährliche Militäreinsätze zu bewältigen?

Es gibt auf diese Frage tatsächlich eine Antwort, aber damit sind wir schon beim ersten Problem von “Suicide Squad”: Nichts wird richtig auserzählt, vieles bleibt Andeutung oder setzt Insider-Wissen voraus. So sehen wir zum Beispiel, wie Harley von ihrem Liebsten gezwungen wird, in ein Becken mit Chemikalien zu springen. Er hüpft hinterher, und beide planschen in der giftigen Plörre. Offenbar – gesagt wird das nicht – verdankt sie diesem Bad ihre ungesunde Gesichtsfarbe und das Talent, ihren Baseballschläger deutlich kräftiger zu schwingen als der Durchschnittsgangster auf Gothams Straßen. Zumindest gibt es in den der Story zugrunde liegenden Comics einen Handlungsstrang, der das erläutert. Nur: Wer eine Geschichte ein einem bestimmten Medium erzählt, muss gefälligst dessen Gegebenheiten nutzen. Soll in diesem konkreten Fall heißen: Auch unbedarfte Zuschauer sollten erfahren, weshalb Harley ein Teil der Task Force X wird, und es sich nicht zusammenreimen müssen. Wer schleppt denn Sekundärliteratur mit in den Kinosaal?

Das zweite, ungleich größere Problem des Films wurde bereits erwähnt: Jared Leto. Keine Ahnung, was der Mann sich bei der Interpretation seiner Figur gedacht hat. Vermutlich war die Idee, nach Heath Ledger in “The Dark Knight” noch einmal einen Hollywood-Schönling eine eher ungewöhnliche Variation des Charakters verkörpern zu lassen. Was einmal funktioniert hat… Aber verdammt nochmal: DAS IST NICHT DER JOKER! Schon klar: Er soll es sein. Aber seit Cesar Romero und seinem überschminkten Schnauzer in den 60ern hat niemand den Hintergrund dieser Comic-Ikone weniger verstanden als Leto. Zur Erinnerung (oder für Nicht-Comicleser): Der Joker ist eine tragische Figur, ein Getriebener, vom Wahnsinn geschüttelt, dessen Lachen nichts Lustiges hat, sondern so angsteinflößend ist wie seine Skrupellosigkeit. Sein Grinsen ist nicht zuletzt deshalb nicht etwa aufgemalt, sondern in sein Gesicht gemeißelt. Er ist “der Mann, der lacht”, das unfreiwillige Zerrbild eines Clowns (und damit Vorbild für alles zwischen Stephen Kings Pennywise und den geschminkten Trotteln, die vor einigen Monaten die Schlagzeilen unsicher machten). Und was macht Jared Leto daraus? Einen vergleichsweise fröhlichen Crack-Junkie mit Silberzähnen, gefärbter Haarbürste, albernen Tattoos und aufgesetzt irrem Blick. Nichts, aber auch wirklich nichts wirkt an diesem Joker bedrohlich. Wir erleben einen stinknormalen Mobster mit einem Faible für fragwürdige Mode-Entscheidungen, keinen faszinierend-bösartigen Anarchisten. BvS hat es geschafft, Superman und Batman für immer ihrer Funktion zu berauben, nun ist auch noch der Joker kaputt. Spätestens an dieser Stelle wurde mir beim Gucken klar, wie weise meine innere Stimme ist. (Damit mich niemand für ähnlich irre wie den Joker hält: Man darf auch Bauchgefühl oder Instinkt sagen – da quatscht niemand wirklich, keine Sorge.)

Zurück zur Handlung von “Suicide Squad”: Ihre erste Mission führt die Task Force X (den titelgebenden Spitznamen der Gruppe erwähnt übrigens nur Deadshot ein einziges Mal) gegen eine ursprünglich als weiteres Mitglied gedachte Hexe, die den Körper der Archäologin Dr. June Moone (Cara Delevingne) übernommen hat. Damit keiner der vorbestraften Nachwuchshelden wider Willen die Fahnenflucht antritt, hat Amanda Waller gleich drei Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Zum einen überwacht eine Militäreinheit um Moones Lover Colonel Rick Flag (Joel Kinnaman) das Geschehen. Zum anderen wird jedem Mitglied eine Sprengstoffkapsel injiziert, ganz wie in John Carpenters “Die Klapperschlange – Flucht aus New York”. Und zu guter Letzt erhält Flag Unterstützung von der maskierten Samurai-Dame Katana (Karen Fukuhara), in deren Katana (!) die Seelen ihrer Feinde wohnen.

Damit sind wir bei Problem Nummer drei: Was ist hier überhaupt los? Als der Comic-Verlag DC damit begann, seine Superhelden in einem eigenen Kino-Universum auf der Leinwand zu versammeln, um zum inzwischen übermächtigen Konkurrenten Marvel aufzuschließen, schickte man zuerst das Flaggschiff ins Rennen. In “Man Of Steel” wird an keiner Stelle erwähnt, dass es außer Superman (Henry Cavill) noch andere Männer und Frauen mit übernatürlichen Fähigkeiten gibt. Die Welt schien vom Auftauchen des Kryptoniers und seiner gleichfalls aus dem All stammenden Gegner sehr überrascht, und als Zuschauer hatte man den Eindruck, die neue Welle der DC-Filme setze auf eine Art Realismus, wie ihn Christopher Nolans Batman-Trilogie propagierte. In BvS war dann plötzlich die Rede davon, dass Batman (und früher wohl auch sein Sidekick Robin) bereits seit Jahrzehnten gegen das Verbrechen kämpfen. Außerdem entdeckt “die Fledermaus” (wie Bruce Waynes Alter Ego konsequent, aber unverständlicherweise genannt wird), dass es vier weitere so genannte Metawesen gibt: Wonder Woman (Gal Gadot), einen jungen Typen mit Supergeschwindigkeit (Ezra Miller), einen Kerl, der aussieht wie Poseidon (Jason Momoa), und einen an der Wand hängenden Torso (Ray Fisher), die Batman (Ben Affleck) sich im kommenden “Justice League”-Film (JLA) wie eine Boygroup zusammencastet. Den Flitzetypen sehen wir nun in “Suicide Squad” im vollen Flash-Kostüm dabei, wie er Captain Boomerang dingfest macht. Zusammengefasst: Offenbar sind Superhelden, Monster und entstellte Verbrechergenies in dieser Filmwelt nicht so ungewöhnlich wie in unserer Realität. Das macht sämtliche Reaktionen von Passanten und Soldaten, Journalisten und Politikern in den bisher drei neuen DC-Filmen schlicht komplett unlogisch. Auf der einen Seite flippen alle aus, wenn ein Magier aus einer anderen Dimension einen Bahnhof vernichtet – andererseits juckt es niemanden besonders, dass ein Massenmörder aussieht wie ein humanoides Krokodil oder dass eine japanische Kriegerin ein verzaubertes Schwert schwingt. Da passt nichts zusammen, nicht hinten, nicht vorne – schon allein der Hintergrund ist reines Stückwerk, nicht durchdacht, ohne Plan und Konzept.

Die Suicide Squad – bleiben wir der Einfachheit halber dabei – und ihre militärische Verstärkung machen sich also auf in die halb verwüstete Metropole Midway City. (In den Comics ist diese Stadt übrigens der Heimatort von Hawkman. Ob es den hier auch gibt? Oder in einem späteren Film? Keine Ahnung. Vielleicht hat er Urlaub. Ist mir inzwischen so wurscht wie den Produzenten.) Dort herrscht die Hexe mit ihrem gleichfalls erweckten Bruder über eine Art Zombie-Armee, bestehend aus Normalbürgern und Soldaten, alle versehen mit Köpfen, die an verkohlte Kartoffeln erinnern. It’s magic. Die seelen- und vermutlich leblosen Horden eignen sich prima als Kanonenfutter für die anrückenden Protagonisten. Die Kämpfe sind recht unspektakulär und überraschend hölzern inszeniert. Letztlich wird im Halbdunkel geballert, ab und an darf mal jemand die Fäuste oder eine Schlagwaffe einsetzen. Das ist nicht packend, zu keiner Sekunde spannend und dient nur dazu, die Handlung zentimeterweise voran zu schieben. Ein Mitglied der Suicide Squad darf bei dem verhaltenen Gemetzel übrigens nicht mitmachen: Slipknot (Adam Beach). Wer? Ganz genau – hier kommt Problem Nummer vier.

Ihr habt die Trailer gesehen? Die aufwändige Online-Werbung, inklusive lustiger Spielchen? Die Promo-Interviews? Die Kinoplakate? Vergesst das alles. Das hier ist eine DC-Verfilmung – das bedeutet (wir erinnern uns): Es gibt kein Konzept. Dass der Joker, die Hexe, Rick Flag und Katana nicht zur Suicide Squad gehören, wurde ja nun erläutert und steht in krassem Kontrast zu dem, was die Marketing-Abteilung bereits Monate vor dem Filmstart behauptet hat. Aber was mit der Rolle von Adam Beach (übrigens einer der wenigen Natives in Hollywood) angestellt wurde, ist wirklich ein schlechter Witz. Slipknot ist angeblich eine Art Ausbrecherkönig, und so einen braucht man natürlich dringend für gewalttätige Spezialaufträge, wenn man bereits eine Psychiaterin und einen Tresorknacker im Team hat. Dementsprechend versucht der Gute – angestachelt vom zynischen Captain Boomerang -, schon bald, sich abzusetzen. Weshalb Colonel Flag wie angekündigt die Bombe in seiner Halsschlagader zündet und ihn in die ewigen Jagdgründe katapultiert. Ob Mister Beach für seinen gefühlt anderthalbminütigen Auftritt die gleiche Gage bekommen hat wie die anderen Schauspieler? In jedem Fall ist das ein weiteres Beispiel für den unachtsamen Umgang der Filmemacher mit Handlung, Idee und Publikum.

Ein Großteil des weiteren Films besteht daraus, dass die Squad-Mitglieder plaudernd durch die Ruinen latschen. Kein Witz: Sie laufen minutenlang zwischen brennenden Autowracks und niedergemetzelten Hexensklaven die Straße entlang und unterhalten sich. Dabei kommt wenig Überraschendes zum Vorschein, denn sämtliche bereits deutlich gemachten Charaktereigenschaften werden lediglich unterstrichen: Deadshot meint es gar nicht so, Boomerang ist ein hämischer Sprücheklopfer, Harley ist verrückt, aber sexy, und Killer Croc ist hässlich. Nochmal durchzählen… Richtig, einer wurde bislang kaum erwähnt. Denn jetzt kommen wir zum einzigen Pluspunkt dieses Machwerks: Jay Hernandez.

El Diablo hat wie erläutert die Fähigkeit, Feuer zu erzeugen und zu kontrollieren. Er ist quasi eine Art menschlicher Flammenwerfer. Ganz praktisch, wenn man – sagen wir – eine Hexe, ihren bösartigen Bruder und Heerscharen von Zombies bekämpfen will. Nur: Chato Santana ist ein geläuterter Bösewicht. Er hat geschworen, seine Superkräfte nie wieder einzusetzen, und das aus gutem Grund. Wird er aggressiv, verliert er die Kontrolle über sein Feuer, und das hat meist fatale Folgen. Nachdem er in einem Wutanfall seine Frau und seine Kinder getötet hat, beschloss er, den Rest seines Daseins in schweigsamer Demut zu verbringen. Jetzt kommt’s: All das nimmt man Hernandez absolut ab. Man muss fairerweise sagen, dass sämtliche Darsteller alles geben: Margot Robbie spielt vermutlich die Rolle ihres Lebens, Jai Courtney passt sich nicht nur optisch seiner Figur an, und selbst Will Smith schafft es, den treusorgenden Vater hinter der Maske des Killers auftauchen zu lassen. Aber Jay Hernandez muss während der Dreharbeiten tatsächlich gedacht haben, dass das hier ein guter Film wird. Sein trauriger Teufelskerl ist ein gebrochener Mann, der nicht gelernt hat, viele Worte zu machen, und der sich trotz aller Tragik an einen Rest Würde und eiserne Regeln klammert. Seine bizarre Gesichtstätowierung ziert die Züge eines Menschen am Ende seiner Kraft. Umso dümmer, dass Drehbuch und Regie ihn im Showdown durch eine Computeranimation ersetzen.

Also zurück zur Handlung (wir haben’s bald hinter uns): Die Suicide Squad erfährt irgendwann den wahren Hintergrund ihrer Mission. Sie sollte Amanda Waller aus der Stadt retten, die unterdessen das ganze Vorhaben mit ungezählten Kameras beobachtet hat. Letztendlich treffen die Bösewichte auf die Hexe und ihren monströsen Bruder. Es kommt zu einem viel zu kurzen, dafür aber albernen Endkampf. El Diablo opfert sich für das Team, indem er sich in ein vier Monster großes Flammenmonster verwandelt und mit dem Hexenbruder ringt. Dessen Schwester wird ausgeschaltet, indem man ihr das Herz herausschneidet. Das übernimmt die hinterhältige Harley, die in einem lichten Moment nur so tut, als ob sie die anderen verraten wolle. Schließlich muss besagtes Herz aus irgendwelchen Gründen noch punktgenau geworfen werden. Dafür hat man natürlich Captain Boomerang dabei, denn der Australier arbeitet ja vorzugsweise mit jenen Wurfgeschossen, denen er seinen Namen verdankt. Aus diesem Grund befiehlt Rick Flag selbstverständlich Killer Croc, den Wurf auszuführen. Verwirrt? Ich hab’s auch nicht verstanden, vermute aber, es gibt bei DC mittlerweile die Regel, dass nichts nachvollziehbar oder sinnvoll sein darf. Verbucht das ruhig als Problem Nummer fünf.

Problem Nummer sechs schließt sich direkt an: Wir werden nämlich Zeuge davon, dass die Mitglieder der unfreiwilligen Gemeinschaft nur schwer voneinander lassen können. Bislang konnten sie sich alle untereinander nicht besonders gut leiden, nun sind sie auf einmal BFF. Wie, wodurch und vor allem wann das passiert ist, wurde im Film nicht gezeigt. Natürlich nicht. Aber im DC-Universum geht sowas sehr schnell. Vermutlich haben sie off screen festgestellt, dass ihre Mütter alle Martha heißen.

Die Überlebenden werden wieder eingebuchtet, Deadshot darf allerdings nochmal seine Tochter sehen, und die Haftbedingungen für Killer Croc und Harley werden etwas verbessert. Letztere kommt allerdings gar nicht so richtig dazu dazu, das zu genießen, denn der Joker dringt mit seinen Schergen in den Hochsicherheitstrakt ein und befreit seine Gefährtin. Noch rasch ein paar Worte dazu, weshalb das Problem Nummer sechs ist: “Suicide Squad” lässt den Eindruck zu, dass der Killerclown und sein Harlekin so etwas wie die große Liebe erleben. Dies wurde bereits weltweit dankbar von einigen unbedarften Cosplayern aufgenommen, die das vermeintliche Traumpaar verkörpern. Nur: Das stimmt nicht. Das Verhältnis zwischen dem Joker und Harley Quinn ist das zwischen einem Gewalttäter und seinem Opfer, das an einer extremer Ausprägung des Stockholm-Syndroms leidet. Der Joker quält und manipuliert seine einstige Therapeutin aufs Übelste und würde sie jederzeit ans Messer liefern. Sie ist eine Art besseres Schoßhündchen für ihn, auf das er aus reinem Sadismus vorerst nicht verzichten will. Daran ist nichts, aber wirklich überhaupt nichts romantisch!

Problem Nummer sieben wurde schamhaft als midcredit scene versteckt: Amanda Waller und Bruce Wayne treffen sich heimlich, und sie steckt ihm die Akten über Wonder Woman, Flash, Aquaman und Cyborg zu. Niemand weiß, wozu er die braucht, immerhin hat er WW bereits persönlich kennen gelernt – und wenn man dem JSA-Trailer und dem Flash-Auftritt zwei Stunden zuvor glauben darf, die übrigen ebenfalls. Warum hat man nicht wenigstens die Chance genutzt und ein paar neue Charaktere angekündigt – etwa Green Lantern oder den erwähnten Hawkman? Ach ja – das hätte ja Konzept und ist deswegen raus…

“Suicide Squad” ist ein handwerklich schlecht gemachter Film, der zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Spannung aufkommen lässt. Die Entscheidung, ihn noch einmal trailer-artig schneiden zu lassen, mag ihn im Vergleich zur angeblich recht dunklen Erstversion etwas aufgelockert haben, zerschmettert aber jedwede Dynamik. Alle paar Sekunden hört man einen anderen Rockklassiker im Hintergrund, ständig wechseln Perspektiven und Szenenaufbau. Vor allem in den Actionsequenzen – in einem Superhelden-, pardon: Superbösewichtfilm nicht unwichtig – wird das überdeutlich. Schade um die ambitionierten Darsteller, allen voran Jay Hernandez, und eigentlich sogar schade um die Grundidee.

Nicht so schade ist es um DC. Ich bleibe dabei: Das wird nichts mehr. Sie haben ihr eigenes Kino-Universum in Grund und Boden getrampelt, ehe es sich überhaupt richtig entfalten konnte. Lassen wir doch mal Revue passieren, was wir bislang gesehen haben:

Superman: Er ist eine Ikonie, eine der großen Figuren der amerikanischen Popkultur. Aus dem Streiter für Fairness und Gerechtigkeit wurde dank “Man Of Steel” und vor allem BvS ein unnahbarer Wüterich, dem die Menschen, die er eigentlich beschützen sollte, vollkommen gleichgültig sind. Kein Wunder: Sein Vater und sein Ziehvater haben ihm beide beigebracht, dass es keine Rolle spielt, was aus den Erdbewohnern wird. Daher wählt er willkürlich aus, um wen er sich kümmert: Sein kreischendes Liebchen, die angebliche Pulitzer-Preisträgerin Lois Lane (Amy Adams), wird errettet, ihr Kollege Jimmy Olsen (Michael Cassidy) darf hingegen Minuten zuvor umgebracht werden. Weshalb man Superman die Schuld am anschließenden Massaker in Afrika gibt, ist völlig unklar – warum sollte er Schusswaffen benutzen? Ebenfalls undeutlich ist das Verhältnis der Bevölkerung zum Mann aus Stahl: Einerseits scheint er ab und an mal jemanden vor einem Hochwasser zu beschützen oder abgestürzte Raketen abzufangen, weshalb für ihn eine Statue gebaut wurde und man ihm huldigt (was er mit unbewegter Miene hinnimmt). Andererseits traut sich niemand, ihn dafür zur Verantwortung zu ziehen, dass er im Kampf gegen General Zod (Michael Shannon) mal eben halb Metropolis in Schutt und Asche legt und zahlreiche Tote in Kauf nimmt.

Batman: Die “Fledermaus”, wie er stets genannt wird (anscheinend hat sich sein Markenname nie recht durchgesetzt), ist offenbar schon seit etlichen Jahren im Einsatz. Es gibt das berühmte Bat-Signal, mit dem man ihn rufen kann, dennoch haben Polizisten augenscheinlich Angst vor ihm. Kein Wunder, denn im Gegensatz zu seiner Comic-Version bringt dieser Bruce Wayne seine Gegner (besser: Opfer) gleich reihenweise um die Ecke, am liebsten mit großkalibrigen Schusswaffen. Weshalb er auch nach 20 Jahren (oder so) noch immer ein Mysterium für die Öffentlichkeit ist, bleibt ebenso unklar, wie der Grund dafür, dass Verbrecher wie Lex Luthor (Jesse Eisenberg) oder Agenten wie Amanda Waller offenbar relativ einfach seine Geheimidentität aufdecken können. Für den größten Detektiv der Welt benimmt er sich zudem bisweilen recht einfältig. Dafür schließt er rasch Freundschaften: Nachdem sich Superman und er zunächst stundenlang den Garaus machen wollten, genügt der Verweis darauf, dass beider Mütter den Vornamen Martha trugen, um aus ihnen die allerbesten Kumpels zu machen.

Wonder Woman: In BvS wird angedeutet (es wird ziemlich viel angedeutet, dafür wenig erzählt), dass sie eine Weile aus dem Superhelden-Geschäft raus war – vermutlich seit dem Ersten Weltkrieg. Nun mischt sie aber wieder mit, als sich die beiden Trottel Supes und Batsy ein wenig schwer tun im Kampf gegen den Höhlentroll, den Lex Luthor aus seinem eigenen und dem Erbgut von General Zod gebrutzelt hat.

Aquaman: Liebt die Kamera, und die Kamera liebt ihn. Auf jeden Fall hat man diesen Eindruck, denn die “streng geheimen” Dateien, die Batman an sich nimmt, zeigen minutenlange Unterwasseraufnahmen von ihm. Dabei sehen wir deutlich: Er sieht kein bisschen wie der Aquaman im Comic aus, sondern wie Poseidon oder Neptun. Irgendwann mal hat DC die anstehenden Versuche, die Justice League zu etablieren, mit seinem Bild und dem Slogan “Unite the seven” beworben. Insgesamt kommen wir aktuell allerdings nur auf sechs, denn da sind ja noch…

Flash: Dem JLA-Trailer nach zu urteilen hat er gewisse autistische Züge. Das steht in deutlichem Gegensatz zu jenem leicht verpeilten, aber optimistischen Geschwindigkeitsfanatiker, den wir aus den Comics oder der aktuellen Fernsehserie kennen. Zeitlich lässt sich schlecht einordnen, was genau mit ihm passiert: In BvS kommt er mal kurz aus der Zukunft, um Batman vor wasauchimmer zu warnen, im Trailer trägt er noch kein Kostüm, in “Suicide Squad” schon. Vermutlich hat sich wie immer niemand Gedanken darum gemacht.

Cyborg: Seien wir ehrlich: Auch wenn DC das seit einigen Jahren behauptet, gehört der Cyborg nicht zur Stammbesetzung der Justice League. Er wurde erst vor relativ kurzer Zeit hinzugefügt und seither als Gründungsmitglied vermarktet. Warum? Weil die ursprüngliche Gerechtigkeitsliga eine Ansammlung weißer, meist reicher Männer und einer Frau im Badeanzug war. (Lassen wir den grünhäutigen J’onn J’onnz mal außen vor.) Schon immer war die Konkurrenz aus dem Hause Marvel da um einiges weiter: Erst mit Black Lightning (der übrigens demnächst eine eigene Fernsehreihe bekommt) wagte man sich bei DC an sozialkritischere Geschichten mit einem afroamerikanischen Helden auf den Spuren längst etablierter ähnlicher Figuren wie Black Panther. (Mehr dazu unter diesem Beitrag.) Sei’s drum – die Darstellung von Victor Stone, der zum Teil Maschine ist, wirkt zumindest auf den ersten Promo-Bildern durchaus sehenswert, im Trailer leider unfertig bis altmodisch.

Mit dieser Gurkentruppe voller frühzeitig vom Sockel geschubster Superhelden, einem sehr unscharfen Konzept und getrieben von den auch finanziellen Misserfolgen ihrer ersten drei Filme will DC gegen etwas punkten, mit dem Marvel seit fast einem Jahrzehnt Filmgeschichte schreibt? Das kann und wird nicht funktionieren, darin hat mich “Suicide Squad” bestätigt. Das Marvel Cinematic Universe ist unbesiegbar, das schreibt ein Marvel-Fanboy aus Überzeugung, der gerne eines Besseren belehrt worden wäre.

 

Hintergrund: Hä? Was will er?

Für Uneingeweihte erkläre ich kurz den Unterschied zwischen Marvel und DC. Im Grunde ist es ganz einfach: DC (ursprünglich: Detective Comics) hat die Idee des Superhelden praktisch erfunden. Alles, was Ihr vor Augen habt, wenn Ihr den Begriff hört, wurde von diesem amerikanischen Comic-Verlag etabliert. Hier gibt es die Helden in bunten Unterhosen, mit wehenden Capes und großen Gesten. Die Guten erkennt man am markanten Kinn, die Bösen an den kräftigen Augenbrauen. Dies ist die Heimat von Superman, Batman, Green Lantern, Wonder Woman, Aquaman und was es sonst noch an attraktiven Strahlemännern und -frauen zwischen den Sprechblasen zu sehen gibt. Erst vergleichsweise spät passte sich DC dem Zeitgeist an, wurden die Geschichten düsterer, die Helden gebrochener, verschwammen die einst so deutlichen Grenzen zwischen der hellen und der dunklen Seite. Inzwischen gilt DC dank Großtaten wie Frank Millers “Dark Knight” als rehabilitiert und hat zumindest im ursprünglichen Medium qualitativ zum ewigen Mitbewerber aufgeschlossen.

Marvel Comics war immer ein bisschen abseitiger unterwegs. Als Kind der 60er trennen das Geburtsjahr der ersten Ausgaben zwar drei Jahrzehnte vom einstigen Riesen DC, dafür gab und gibt es hier die spannenderen Charaktere. Spider-Man, die Fantastic Four, der Hulk, die X-Men um Wolverine – häufig haben wir es mit Außenseitern zu tun, mit Geächteten am Rande der Gesellschaft, die trotzdem alles dafür geben, diese vor dem Chaos zu bewahren. Schon immer wurden Kriegsangst und Rassismus, zwischenmenschliche Probleme und globale Katastrophen thematisiert. Ganz simpel auf den Punkt gebracht: Der bekannteste Held von DC ist ein fliegender Außerirdischer – der von Marvel ist ein problembeladener Teenager, der von einer Spinne gebissen wurde.

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